Im Rahmen der 2. Veranstaltungsreihe 2017 „Ideologien und ihre Feindbilder“ des Runden Tisch gegen Rassismus Dachau e.V. fand am 07.12.2017 in Kooperation mit der pfiff gGmbH und der Caritas-Kontaktstelle für Menschen mit Behinderung Dachau ein Vortrag mit dem Thema „Die Abwertung von Menschen mit Behinderung – Erscheinungsformen und Gegenmaßnahmen“ statt. Die Veranstaltung wurde mit Mitteln des BMFSFJ im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben! Aktiv gegen Rechtsextremismus, Gewalt und Menschenfeindlichkeit“ gefördert.
Frau Dr. Sigrid Arnade vermittelte den rund 40 Besucher*innen im Ludwig-Thoma-Haus sehr anschaulich, wie Menschen mit Behinderung noch immer mit zahlreichen Benachteiligungen konfrontiert sind, die ihr Leben zum Teil erheblich beeinträchtigen.
Die Referentin, Geschäftsführerin der Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben in Deutschland e.V. gab zunächst einen Überblick über die Diskriminierung behinderter Menschen im Wandel der Zeit. Lange galt behindertes Leben als „lebensunwert“ und wird selbst bis heute oft als minderwertig betrachtet. Das Leben von Menschen mit Behinderung ist bis heute von Fremdbestimmung geprägt.
Nach der Euthanasie des Naziterrors entstand in den 50er/60er-Jahren ein System der entmündigenden Fürsorge in dem andere entschieden, was „gut“ für die/den „Behinderte*n“ ist.
Anfang der 80er Jahre engagierten sich Menschen mit Behinderung immer stärker politisch. Diese Bewegung mündete 1993 in einen UN-Sonderbericht von Leandro Despouy, der weltweite Menschenverletzungen an Menschen mit Behinderung feststellte und beschrieb. Zwangsweise Heimunterbringung und Sonderbeschulung, Benachteiligung durch nicht barrierefreie Verkehrsmittel und Wohnungen, nicht barrierefreie Kultureinrichtungen, wie z.B. Kinos oder Restaurants, fehlende Assistenz im Krankenhaus, hohe Arbeitslosenquote trotz guter Bildung und Weiteres wurde hier aufgezählt.
Die UN-Behindertenrechtskonvention (BRK), die 2006 verabschiedet wurde, läutete einen Paradigmenwechsel ein und betonte das Recht auf Gleichbehandlung von Menschen mit Behinderung auf der ganzen Welt. Die Bundesrepublik Deutschland erkannte die definierten Rechte ohne Vorbehalte an und unterschrieb 2009 die BRK, wodurch sie sich verpflichtete, diese umzusetzen.
Ziel ist es nun, anstatt des medizinisch definierten Modells von Behinderung, welches sich durch individuelle Defizite im körperlichen, seelischen und geistigen Bereich ausdrückt, das soziale Modell von Behinderung als Bemessens-Grundlage anzuerkennen. Gesellschaftliche Bedingungen behindern Menschen mit einer Beeinträchtigung. Das menschenrechtliche Modell will weit mehr als nur Antidiskriminierung. Es fordert eine grundsätzliche wertschätzende Haltung, aktive Schritte des Staates zur Teilhabe aller, unabhängig von individuellen Beeinträchtigungen.
Nach einer Definition von Diskriminierung und einer Darstellung der verschiedenen Formen, erläuterte Frau Arnade verschiedene Möglichkeiten, Barrierefreiheit für alle umzusetzen und angemessene individuelle Vorkehrungen für Einzelpersonen zu treffen, um Menschen mit Einschränkungen eine uneingeschränkte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen.
Zum Schluss ihres Vortrages gab die Referentin noch ein deutliches Statement zum herrschenden Ableismus, der die alltägliche Reduktion eines behinderten Menschen auf seine Beeinträchtigung beschreibt, ab. Sie bezog sich hier sowohl auf die damit verbundene Abwertung (wegen der Beeinträchtigung), aber auch Aufwertung (trotz der Beeinträchtigung) von Menschen mit Behinderung.
Als Gegenstrategie forderte die Referentin das Schaffen und Einhalten von internationalen und nationalen Rechten und Gesetzen gegen Diskriminierung von Menschen mit Beeinträchtigungen. Personen mit Beeinträchtigungen und deren Angehörige sind gefordert, an Diskussionen teilzunehmen, für ihre Rechte zu demonstrieren sowie gegebenenfalls den Rechtsweg zu beschreiten.
Im Anschluss an den Vortrag wurde intensiv diskutiert, wie Inklusion umgesetzt werden kann und welche Erfahrungen die Besucher*innen zum Vortragsthema im Alltag machen. Um eine Gesellschaft ohne Diskriminierung zu schaffen, sind noch viele Schritte zu gehen. Mit der Behindertenrechtskonvention ist der Weg dafür aber schon vorgezeichnet.
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