Sie können unsere Veröffentlichung „Selbstverständnis und Positionen“ des Runden Tisch gegen Rassismus Dachau e.V. hier als PDF herunterladen oder auf der Webseite nachfolgend einsehen. Wenn Sie uns über das Kontaktformular eine E-Mail zukommen lassen, schicken wir Ihnen gerne auch ein paar Druckexemplare.
1. Präambel
Der Runde Tisch gegen Rassismus Dachau e.V. (im Folgenden: RT) ist ein Bündnis, dem engagierte Bürgerinnen und Bürger sowie viele Dachauer Organisationen und Institutionen aus Politik und Gesellschaft sowie Religionsgemeinschaften angehören. Eine Liste der institutionellen Mitglieder befindet sich im Anhang.
Der RT vereint seine Mitglieder im Eintreten gegen Rassismus und ist überparteilich und überkonfessionell.
Dachau als ehemaliger Standort eines der ersten Konzentrationslager in Deutschland ist heute ein wichtiger Lernort. Als solcher ist er der historisch-wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit der Geschichte des NS-Unrechtsregimes und einem angemessenen emotionalen Umgang damit verpflichtet. Das schließt entschiedenes Eintreten gegen Rechtsextremismus sowie gegen jede Form gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit ein.
Durch die Auseinandersetzung mit der Geschichte des Nationalsozialismus besteht zwar ein breiter gesellschaftlicher Konsens darüber, sich nicht offen antisemitisch, rechtsextremistisch oder rassistisch zu positionieren.
Doch dieser Konsens ist keineswegs so selbstverständlich, wie er scheint.
Der Begriff „Rassismus“ ist ein Gedankenkonstrukt, das von Mitgliedern der Zivilgesellschaft unterschiedlich interpretiert wird.
Rassismus hat vielfältige Ausprägungen. Diese stehen in Wechselwirkung mit gesellschaftlichen Zusammenhängen. Rassistisches Gedankengut und Handeln befi ndet sich immer wieder im Wandel. Deshalb ist eine ständige Auseinandersetzung mit diesem Begriff und seinen Erscheinungsformen unabdingbar.
In einem von Sorgfalt getragenen und durchdachten Dialog, der die Grundlage dieses Positionspapiers bildet, hat der RT eine gemeinsame Definition des Begriffes Rassismus erarbeitet.
Der RT erachtet dieses Positionspapier als Selbstverpfl ichtung für alle seine Mitglieder und leitet daraus die Ziele seines Handelns ab.
2. Was ist Rassismus?
Rassismus ist eine Form von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit.
Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit liegt die Annahme von der Ungleichwertigkeit von Menschen zugrunde. Diese Annahme zeigt sich im Denken, Reden, Schreiben und Handeln Einzelner oder von Gruppen von Menschen, wenn diese Andere als ungleich in ihrer Würde einstufen.
Rassismus erscheint als soziale Diskriminierungs- und Ausschließungspraxis, die die Würde eines Menschen verletzt.
Diskriminierung ist, wenn Menschen von anderen Menschen einer Gruppe zugeteilt und abgewertet werden.
Ausschließung ist, wenn Menschen aufgrund dieser Diskriminierung die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben erschwert oder verwehrt wird. Diese Ungleichbehandlung und Benachteiligung findet sich unter anderem in Bildung, Beruf, auf dem Arbeitsund Wohnungsmarkt.
Rassismus liegt unter anderem vor, wenn Menschen aufgrund von ethnischer Herkunft, Nationalität, Sprache, Hautfarbe oder Religion diskriminiert oder ausgeschlossen werden. Der RT tritt dieser Form gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit im Besonderen sowie allen anderen Formen von Rassismus entschieden entgegen. Dazu gehören die Diskriminierung und Ausgrenzung von Menschen etwa aufgrund ihres Geschlechts, ihrer sexuellen Identität, ihrer äußeren Erscheinung, ihrer Behinderung, ihres Alters, ihres sozialen Status, ihres Familienstandes.
Die Definition von Rassismus umfasst ausdrücklich jede Form rechtsextremistischer Agitation und Gewalt gegen Opfer des NS-Regimes und gegen Menschen, die die Geschichte des NS-Regimes aufarbeiten und darüber aufklären.
Der RT tritt als antirassistische Organisation dafür ein, dass alle Menschen im politischen, wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen oder jedem sonstigen Bereich des öffentlichen Lebens gleichberechtigt ihre Menschenrechte und Grundfreiheiten nach Art. 1 bis 20 des Grundgesetzes genießen und ausüben können.
3. Erscheinungsformen und Ist-Zustand
Rassismus zeigt sich als vielgestaltiges, manchmal schwer greifbares Phänomen. Während Rechtsextremismus gewollt gegen als anders defi nierte Menschengruppen gerichtet ist, ist Alltagsrassismus wesentlich schwieriger zu fassen. Alltagsrassistische Handlungen und institutioneller Rassismus können dagegen Menschen verletzen bzw. benachteiligen – ohne dass sich die Handelnden zwangsläufig selbst als rassistisch begreifen. Rassistische, ausländerfeindliche, antisemitische und ähnliche Einstellungen sind, wie viele Studien belegen, in weiten Teilen der Gesellschaft verbreitet.
Rechtsextremismus ist die deutlichste und in ihren Aktionsformen häufig auch verbrecherische Form von Rassismus. Rechtsradikale Einstellungen und Handlungen basieren in der Regel auf einer geschlossenen Ideologie, die andere Menschengruppen als minderwertig einstuft. Von Rechtsextremisten wird Gewalt gegen Menschen, Brandstiftung ebenso wie hasserfüllte Sprache als Mittel ihrer Politik verstanden. Diese ist, weil sie gegen das Grundgesetz verstößt und weil sie die Rechte und Lebenschancen von Menschen (z.B. durch körperliche Verletzung) schwer beschädigt, abzulehnen und zu verurteilen. Der oftmals zu schwache Verfolgungsdruck durch Strafverfolgungsbehörden gibt rechtsextremen Gruppierungen das Gefühl, dass ihr Handeln auf stillschweigendes (Ein-)Verständnis stößt.
Rechtsextremisten sind auch in Stadt und Landkreis Dachau aktiv. Regelmäßig werden Aufkleber und Transparente von rechtsextremen Gruppierungen angebracht. Nazi-Schmierereien an Häuserwänden sind alles andere als „dumme Jugendstreiche“, sondern ernstzunehmende Bedrohungen und Straftaten, die mit aller Konsequenz zu verfolgen sind. Der RT hat sich u. a. wegen neonazistischer Übergriffe auf das selbstverwaltete Jugend- und Kulturzentrum Freiraum, wegen der Kundgebung einer rechtsextremistischen Gruppe und rechtsextremer Schmierereien im städtischen Raum gegründet.
Alltagsrassismus ist hingegen eine manchmal subtile und weniger leicht durchschaubare Form von Rassismus. Durch fehlende Akzeptanz und unhöfliches Verhalten bis hin zu offenen Anfeindungen erleben Menschen alltäglich Rassismus. Dadurch werden sie auf zwischenmenschlicher Ebene entwürdigt, verletzt und nachhaltig in ihrer Persönlichkeitsentfaltung behindert. Alltagsrassismus ist, so wie „Angst vor Unbekanntem“, keineswegs normal. Die Konstruktion des „Anderen/Fremden“ durch Sprache, Denkmuster und Zuschreibungsformen enthält oft subtile Abwertungen, die beeinfl usst sind vom geschichtlichen Erbe des Kolonialismus und des Nationalsozialismus. Diese sind oft nicht hinterfragte Schablonen, die, auch wenn sie nicht bewusst verwendet werden, trotzdem Menschen ausgrenzen. Auch helfendes Verhalten, z.B. paternalistische Bevormundung, kann nachteilige Auswirkungen haben. Diesem liegen letztlich ungewollt negative Zuschreibungen, wie die der Unselbständigkeit, zu Grunde.
Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit hat viele Gesichter. Herabwürdigende Parolen, Hetze und Gewalt richten sich gegen ganz unterschiedliche Menschen. Sie haben eines gemeinsam: Mit ihnen wird eine Gruppe von Menschen auf Grund ihrer Religionszugehörigkeit, ihrer äußeren Merkmale oder ihrer Lebensweise herabgesetzt, diskriminiert und ihrer Würde beraubt. Betroffen sind insbesondere Menschen in Armut oder Obdachlosigkeit, Menschen mit geistigen oder körperlichen Behinderungen, Gefl üchtete, Roma und Sinti sowie Menschen mit einer von der Mehrheitsgesellschaft abweichenden sexuellen Orientierung bzw. Identität (Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender, Transsexuelle, Intersexuelle).
Durch institutionellen Rassismus werden manchen Menschen zivilgesellschaftliche Errungenschaften (Menschenwürde, politische Freiheits- und Beteiligungsrechte, etc.) verwehrt und der Zugang zu gesellschaftlich relevanten Gütern (Bildung, Arbeit, Wohnung etc.) erschwert oder gar unmöglich gemacht. Institutioneller Rassismus ist – unabhängig von den Motiven der handelnden Akteure – die Folge der Ausgestaltung von Institutionen, deren Mechanismen und interner Logik. Alltagsrassismus und institutioneller Rassismus sind unterschiedliche Erscheinungsformen, obwohl sie sich selbstverständlich nicht ausschließen. Institutionelle Regelungen können zum einen benachteiligen, indem sie Unterscheidungsschemata (z.B. Profiling-Raster) verwenden. Zum anderen kann auch bei formaler Gleichbehandlung die Nicht-Berücksichtigung von besonderen Bedürfnissen ausgrenzend wirken.
Wird Rassismus wieder „salonfähig“? Autoritäre Regierungsformen, offen fremdenfeindliche Straftaten und insbesondere eine positive Bewertung des historischen Nationalsozialismus werden mehrheitlich abgelehnt. Die Strategie der „Neuen Rechten“ versucht daher durch eine vordergründige Distanzierung von nazistischen Positionen rechtsradikale und nationalchauvinistische Positionen wieder salonfähig zu machen. Während keineswegs jede/-r, der/die Sorgen ausdrückt, gleich als rechtsradikal bezeichnet werden sollte, gehen diese „Bedenkenträger“ zugleich ein – vielleicht ungewolltes – Bündnis mit rechtsextremen Gruppierungen ein. Die klassische Einleitung von fremdenfeindlichen Phrasen „Ich bin ja kein Nazi/Rassist, aber…“ ist häufig Teil der Strategie der Re-Normalisierung rechten oder rechtsradikalen Gedankenguts.
4. Ziele
Der RT will zur Schaffung einer solidarischen, friedliebenden, diskriminierungsfreien, von Fairness und Chancengleichheit getragenen Gesellschaft beitragen. Dazu gehört der Erhalt der politischen und bürgerlichen Freiheitsrechte, dass jeder Mensch ohne Bevormundung ein selbstbestimmtes Leben führen kann. Die Anerkennung unterschiedlicher Kulturen und kultureller Bräuche ist damit untrennbar verbunden. Integration bedeutet folglich die beiderseitige Aufgabe und Herausforderung, sich mit Respekt zu begegnen. Der RT wünscht sich eine Gesellschaft, in der man ohne Angst anders sein kann. Deshalb will der RT innerhalb des Vereins und in der Gesellschaft dafür sensibilisieren, dass jede Form von Rassismus und Diskriminierung bewusster wahrgenommen wird.
Der RT ist ein demokratisches, pluralistisches und offenes Gremium. Der RT soll also in erster Linie ein Dialogforum sein. In diesem sollen Konfl ikte offen ausgetragen und unterschiedliche Auffassungen sachlich diskutiert werden.
Der RT beschäftigt sich mit Rassismus und Diskriminierung, informiert sich, hinterfragt seine eigene Position und lädt die Öffentlichkeit dazu ein.
Der RT entwickelt im offenen Diskurs möglichst tragfähige Positionen bei der Bewertung der vielfältigen Erscheinungsformen von Rassismus und Diskriminierung. Der RT wird bei entsprechenden Vorfällen künftig eine eindeutige Haltung einnehmen und öffentlich Stellung beziehen.
Der RT tritt dafür ein, dass alle Menschen im politischen, wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen oder jedem sonstigen Bereich des öffentlichen Lebens tatsächlich gleichberechtigt ihre Menschenrechte und Grundfreiheiten nach Art. 1-20 des Grundgesetzes genießen und ausüben können.
Das ist leichter gesagt als getan.
5. Umsetzung
Durch den Beitritt zum Verein „Runder Tisch gegen Rassismus Dachau e. V.“ (RT) verpflichtet sich jedes Mitglied, Institution wie Einzelperson, im Sinne dieses Positionspapiers das bürgerschaftliche Engagement zur Pflege eines gesamtgesellschaftlichen Bewusstseins für Weltoffenheit und Toleranz zu fördern und gegen jede Form von gewalttätigem und/oder verbalem Rassismus einzutreten. Dies bedeutet im Einzelnen:
Die Mitglieder des RT bedienen sich gemeinsam folgender Aktionsformen:
a) Regelmäßiger Austausch auf Treffen (ordentliche und außerordentliche Mitgliederversammlungen)
b) Organisation von Kampagnen zusammen mit PartnerInnen (z.B. „Kein Platz für Rassismus“ gemeinsam mit Gastronomen und Geschäftsleuten)
c) Gewaltfreie Aktionsformen und Versammlungen im öffentlichen Raum (Mahnwachen, Kundgebungen o.ä.)
d) Etablierung als Anlaufstelle für von Rassismus und Diskriminierung betroffene Menschen; der RT bündelt die Kompetenz unterschiedlicher politischer, gesellschaftlicher und administrativer Institutionen
e) Unterstützung bei der Schaffung von Begegnungsräumen; Begegnungsmöglichkeiten zwischen Gruppen, die sich fremd sind, helfen beim Abbau von Vorbehalten und Kategorisierungstendenzen
f) Schaffung von Bildungsangeboten sowohl für Mitglieder als auch für Externe (z.B. Workshops, Seminare, Veranstaltungsreihen mit Film und Diskussion)
g) Beteiligung an Bürgerdialogen und am öffentlichen Diskurs (Online sowie Offline)
h) Öffentlichkeitsarbeit (Emailverteiler, eigene Internetseite, soziale Medien, Pressearbeit)
Die Wahl der Aktionsform wird in der Regel im Rahmen der Mitgliederversammlungen getroffen. Bei Dringlichkeit können kurzfristig Treffen für die Planung und Durchführung von Einzelaktionen einberufen werden.
Anhang
Mitglieder und Unterstützer des RT im April 2016: (aktueller Stand siehe www.dachau-zeigt- zivilcourage.de).
Kommunen / Institutionen:
Große Kreisstadt Dachau, Kreisjugendring Dachau, Abteilung Jugend der Stadt Dachau, KZ-Gedenkstätte Dachau
Gewerkschaften / Betriebsgruppen
IG-Metall München, Unabhängige Betriebsgruppe Amperkliniken Dachau
Parteien und Wählervereinigungen
SPD Dachau, Jusos Dachau, Bündnis für Dachau, CSU Dachau, JU Dachau, FDP Dachau, Grüne Dachau, ÖDP Dachau, Die Linke KV Amper, Bürger f. Dachau, FW Dachau, ÜB Dachau, Volt Dachau
Religionsgemeinschaften
Evangelische Versöhnungskirche in der KZ-Gedenkstätte Dachau, Katholische Seelsorge an der KZ-Gedenkstätte Dachau, Türkisch-islamische Gemeinde Dachau (Ditib)
Vereine / Verbände
Freiraum Dachau e.V., Arbeiterwohlfahrt Kreisverband Dachau e.V., Caritasverband der Erzdiözese München-Freising e.V. – Caritas-Zentrum Dachau, Förderverein für Internationale Jugendbegegnung und Gedenkstättenarbeit in Dachau e.V., Lagergemeinschaft Dachau e.V., Verein Zum Beispiel Dachau e.V., Zweckverband Kinder und Jugendarbeit im Landkreis Dachau, Bürgertreff-Ost e.V.
Runder Tisch gegen Rassismus Dachau e.V.
www.dachau-zeigt-zivilcourage.de